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Donnerstag, 17. März 2011

Exmouth


Cape Range Nationalpark

Strand im Cape Range National Park und Schlucht
Der Park hat es uns- wie damals vor 20 und 15 Jahren - wiederum voll angetan. Nach dem Zyklon war das Wetter innert kürzester Zeit wieder sonnig und warm und wenn da nicht die z.T entwurzelten Bäume, abgebrochenen Äste, überflutete Ebenen und das aufgewirbelte Meer gewesen wäre, hätte man nicht glauben können, dass eben kürzlich ein Sturm vorbeitobte. Auch wenn für uns der Zyklon recht harmlos aussah - der Ranger meinte, dass wir nicht mehr haben wollten, denn dies (Stufe 2 von 5) sei gerade so die Grenze gewesen.

Die Zeit hier ist geprägt von viel Natur, einfachem Camperleben, ziemlich warmen Temperaturen und sehr schönen Kontakten zu Australiern und Reisenden aus anderen Ländern. Wir geniessen es, mit unserem Campingnachbarn John über Gott und die Welt zu diskutieren und von ihm über seine Arbeit mit kriminellen jugendlichen Australiern aller Hautfarben zu hören.
Eigentlich ist der Cape Range Nationalpark normalerweise eine trockene Halbinsel mit einer Hügelkette, die früher mal ein Riff war. Nach dem vielen Regen ist aber nun alles grün und der rote Sandboden ist nur noch wenig zu sehen. Neben ein paar Schluchten zum Wandern ist für uns aber die Attraktion hier das Leben unter Wasser, denn im Gegensatz zum Great Barrier Reef in Ostaustralien kommt das Ningaloo Reef zum Teil so nahe ans Festland heran, dass man hinausschwimmen kann. Innerhalb dieses Riffs tummeln sich Fische, wie wir sie in der Anzahl und Grösse kaum jemals gesehen haben und harmlose Riffhaie oder Schildkröten zu sehen beim Schnorcheln ist ganz normal.
In den Nationalpark muss man alles selbst mitbringen, vor allem das Wasser, denn davon gibt es dort nur an einem Ort welches, was aber kein Trinkwasser ist und 40 km von unserem Übernachtungsplätzchen entfernt liegt. Ein Plumpsklo hat es aber und das schätzen wir sehr, denn jeweils mit der Schaufel in die Dünen zu gehen brauchen wir nicht unbedingt beim Campen. Manchmal haben wir den ganzen Strandabschnitt, wo man campen darf, für uns alleine, und manchmal kommen Nachbarn dazu. Einmal ein junges Geschwisterpaar, die sich glaub gar nicht vorstellen können, dass wir schon vor 20 Jahren so gereist sind und es immer noch gerne tun.
Viele Leute haben für sich so eine Liste mit Dingen, die sie einmal machen oder sehen möchten oder Orte, wo sie irgendwann im Leben hingehen möchten. Für mich stehen auf dieser Liste vor allem Tiere, die ich einmal in natura zu sehen wünsche, zum Beispiel einen Dugong (eine Seekuh), einen Mondfisch oder einen Bären. Ein Wunsch geht hier bei Exmouth für Mäge und mich in Erfüllung: junge Schildkröten beim Schlüpfen, respektive aus dem Sand kommen, zu sehen. Vor 15 Jahren hat uns das Erlebnis, einer Schildkröte bei der Eiablage zusehen zu können, tief beeindruckt. Nun sind wir genau in der Übergangszeit, wo noch ein paar wenige Weibchen ihre Eier in den Sand legen, und die ersten Schildkrötchen, die vor etwa 7 Wochen gelegt wurden, ihre lange Reise durch das Meer beginnen. 

Hier im Sand liegen tausende von Schildkröteneiern und geschlüpften jungen Schildkröten. Spur einer Leatherback oder Hawksbill-Turtle
Die Jungen von vier verschiedenen Schildkrötenarten schlüpfen im Sand vergraben aus dem Ei und begeben sich während einer Woche bis kurz unter die Oberfläche, wo sie warten, bis am Abend der Sand kühler wird. Dies ist kurz vor oder nach dem Sonnenuntergang und der Lichtschein am Horizont ermöglicht dann den kleinen schwarz-grauen Tierchen die Orientierung zum Meer: sie rennen um ihr Leben, denn Möven kreisen und so ist auch leider das erste, was ich sehe, eine Möve, die ein Schildkrötchen im Schnabel davonträgt. Dann sind da plötzlich viele kleine rennende Schildis und die meisten schaffen es bis ins Wasser. Diejenigen, die ihren Weg in die falsche Richtung eingeschlagen haben, werden entweder von mir zum Wasser gebracht oder finden dann einiges später über einen Umweg zum Meer.
Dieses ganze wunderbare Spektakel dauert vielleicht 3-5 Minuten und so fahren wir am nächsten Tag wieder an den Strand in der Hoffnung, nochmals dieses Wunder miterleben zu können. Wir kommen etwas spät, denn der grosse Run ist schon fast vorüber. Eine ältere Frau rennt ganz aufgeregt auf mich zu - so aufgeregt, dass sie vergisst Englisch zu sprechen - und sagt, die Schildkrötchen seien alle dort in den Steinen und sie und ihr Mann hätten schon sicher 30 gerettet. 
erschöpft liegen sie zwischen den Steinen - fürs Erste gerettet, sie werden ins Wasser gebracht
Wir vermuten, dass der Zyklon sehr viel Sand weggetragen hat und die Stelle, an der das Weibchen ihre Eier abgelegt hat, vor 7 Wochen noch ideal war - nun aber ragt unterhalb der Legestelle etwa 10 Meter breit eine zerklüftete Fels - und Steinlandschaft aus dem Sand hervor: keine Chance für die kleinen Hawksbill, Greenturtles, Flatbacks oder Leatherbacks. Das deutsche Ehepaar verlässt den Strand und wir übernehmen die Rettung der restlichen Turtles, im Ganzen weitere 20- 30 Jungtiere. Sie liegen wie tot zwischen Steinen eingeklemmt oder an einer unüberwindbaren Felswand und auch das Rennen auf dem Sand fällt ihnen sehr schwer, aber sobald man sie zum Wasser trägt, paddeln sie wie wild und schwimmen hinaus durch die Wellen ins offene Meer. Was für ein Gefühl, so ein Tierchen retten zu können, auch wenn wir wissen, dass nur eines von 1000 die ersten 20 Lebensjahre überlebt, um sich wiederum fortpflanzen zu können und am selben Strand seine Eier abzulegen.
Am letzten Abend haben wir das Glück, die jungen Schildkröten aus dem Legeloch kriechen zu sehen. Auch hier ist eine Möve, die ein Schildkrötchen im Schnabel davonträgt, der Wegweiser zur Stelle, wo die Kleinen im Loch warten. Zwei Köpfchen ragen schon heraus - aber warum rennen sie nicht? Wir warten etwas entfernt und so getrauen sich auch die Möven nicht mehr, weitere Tiere zu holen. 
 
Nach etwa 10 Minuten tut sich etwas.. ein kleines Knäuel von den weichen Reptilien liegt an der Oberfläche und man sieht, dass sich unter ihnen die anderen bewegen. Aber warum rennen sie nicht? Mäge meint, sie würden doch irgendwie halb tot aussehen und ich kann ihm nicht wirklich widersprechen - die meisten haben die Augen geschlossen und liegen einfach so da. Unter ihnen bewegt es sich aber weiterhin. Die Sonne ist schon lange untergegangen und der Lichtstreifen, der den Turtles den Weg weisen soll, wird immer weniger. Wir ziehen ein paar Gräser, die dort noch sind, weg.. und so werden einige Schildkrötchen umgelagert. Irgendwie scheint diese Bewegung die jungen Meeresbewohner aufzuwecken, die obersten bewegen sich und die unteren reagieren und innert Sekunden strömen aus dem Loch viele kleine Schildkrötchen. Die vordersten verharren zuerst - wir haben gelesen, dass sie am Anfang sowas wie die Position einstellen, kalibrieren, sich den Strand merken, wo sie geboren wurden. Und dann rennen sie endlich, alle schön gerade aus direkt ins Meer!
 
   
 
Ein Wunsch ist für uns in Erfüllung gegangen: wir haben das Wunder erlebt, wie kleine, sich wie Gummi anfühlende Schildkröten aus dem Sand kriechen und das Meer erreichen. In 20 Jahren kommen wir dann wieder, wenn diese Weibchen (denn von der Sandtemperatur her werden es vermutlich alle Weibchen sein) wiederum ihre Eier ablegen ;-).
Bis in 20 Jahren wieder :-)
Beim Schnorcheln im Nationalpark treffen wir zum Teil die selben Tiere an wie auf den Philippinen, dann aber auch wieder welche, die wir gar nicht kennen. Plötzlich liegt da ein etwa 180-200 cm grosses Tier im Sand, das aussieht wie ein dunkler Hai mit spitzem Kopf. Die Suche im Internet ergibt, dass es sich um einen Gitarrenfisch oder Gitarrenhai/Gitarrenrochen handelt. Es ist effektiv ein Rochen, der aber aussieht wie ein Hai. Gerade an diesem Fisch sieht man, wie nahe Haie und Rochen miteinander verwandt sind. 


Gitarrenfisch, Schildkröte, Hai, Barsch, Igelfisch
Wenn wir mit Australiern reden (Psychologin, Sozialarbeiter usw) und sie nach dem Verhältnis zwischen weissen Australiern und den Ureinwohnern fragen, ist die Antwort praktisch die selbe wie vor 20 Jahren, und das ist ziemlich bedenklich. Sie sagen, dass es zwei Kulturen nebeneinander sind und bei den Aboriginals vor allem das Alkoholproblem sehr gross ist. Sie bekommen sehr viel Sozialhilfe - zu viel, denn sie sind nicht mehr motiviert zu arbeiten (und das erhaltene Geld sofort vertrinken) und der weisse Australier, der nicht so viel Unterstützung bekommt, ist mit Recht verstimmt ob dieser Ungerechtigkeit. Dies ist auch nicht unbedingt förderlich für ein gute Verhältnis. Der Schlüssel sei auch hier die Ausbildung, sagen unsere Gesprächspartner. Die Alternative wäre natürlich, den Ureinwohnern wieder Land zurückzugeben, wo sie ihrer Tradition gemäss leben könnten. Aber dies ist ein politisches Problem.
Unserer Meinung nach sollten für die Ureinwohner keine Sonderregelungen gelten. Ein kleines Beispiel: Die Schildkröten sind in Australien geschützt. Nur die Ureinwohner, die in ihrer Tradition haben, dass sie Schildkröten jagen und die Eier sammeln und essen, dürfen dies (ausserhalb der Schutzgebiete) weiterhin tun. Was wäre, wenn die weissen Australien auf ihrer Tradition des Walfangs beharren würden?
Überhaupt sind die Regeln hier manchmal merkwürdig: z.B ist er hier im Cape Range Park untersagt, jegliches lebendes oder totes Material mitzunehmen, also Muscheln, Pflangen, Korallen, Sand usw.. aber, an vielen Strandabschnitten ist das Angeln erlaubt! Die Australier sind einfach eine Anglernation und schon die kleinsten Knirpse kommen mit der Leine, der Fischerrute oder sogar der Harpune daher. Spätestens wenn Kinder mit Harpunen in unserer Nähe schnorcheln wird es uns etwas mulmig.

In der Zwischenzeit auf den Philippinen:
Während unserem Australienaufenthalt entscheiden wir uns für einen der Architkten/Bauleiter für das Batulong Center und in den nächsten Tagen wird Thata für Batulong den Vertrag unterschreiben können. Den Auftrag für den Bau des Hauswart-Hauses haben wir anderweitig vergeben, denn es wäre sonst zu teuer gekommen. Im grossen Projekt werden Eltern unserer Batulong-Kinder angestellt, wenn sie Fachleute sind. Das Hauswarts-Bauprojekt wird aussschliesslich von Batulong-Vätern gebaut. Auch das Bauland ist nun vom Öl befreit und baubereit. Wir sind gespannt, ob wir im April, wenn wir auf den Philippinen sind, schon die ersten Bauarbeiten sehen können.
Die Zusammenarbeit der beiden Batulong-Angestellten scheint sehr gut zu laufen. Thata ist vor allem mit der Organisation der Bauarbeiten beschäftigt und Lynnette konnte schon von einigen Fällen berichten, in denen sie als Sozialarbeiterin eingreifen konnte/musste.
Zwei Beispiele: Ein Batulong-Mädchen konnte nur unregelmässig zur Schule gehen, weil ihre Mutter sie jeweils als Babysitterin brauchte. Die Mutter selbst war mangelernährt, weil sie zu wenig Geld vom Mann bekam, der nicht mehr mit ihr zusammenlebt und mit einer anderen Frau auf das erste Kind wartet. Seine alte Familie mit 7 Kindern scheint ihn nicht mehr so zu interessieren und durch die Intervention von Batulong bekommt nun auch das jüngste, 2 Monate alte Baby, Vitamine und Aufbaupräparate, denn es litt an Blutarmut (falsche und zu wenig Nahrung). Das von Batulong unterstützte Mädchen hat in letzter Zeit wieder regelmässig die Schule besucht und es scheint, als ob die Gespräche unserer Sozialarbeiterin mit der Mutter bewirkt haben, dass Mary Jane nicht mehr während der Schulzeit auf die jüngeren Geschwister aufpassen muss. Faszinierend ist, dass sie schon vorher mit nur der Hälfte des Schulbesuchs den Lehrstoff schaffte und die Lehrerin meinte, würde sie immer zur Schule gehen, könnte sie die Klassenbeste sein.
Ein anderer Fall ist ein 14-jähriges Mädchen, das erst in die 4 Klasse geht (vermutlich hatte die Familie nicht genug Geld, dass sie durchgehend zur Schule gehen konnte). Nun arbeitet sie in einer Bäckerei, vermittelt durch den Vater, der ihr Alter mit 18 angegeben hat (darunter dürfen sie offiziell nicht arbeiten) und auch bei ihr scheint der Schulbesuch dann abgenommen zu haben. Der Vater fuhr jeweils am Samstag zur Bäckerei, um den Lohn seiner Tochter einzukassieren und ihn dann zu verspielen und zu vertrinken. Nun haben die Besitzer der Bäckerei dem Mädchen erlaubt, bei ihnen zu wohnen, und es ist das Ziel, dass die Jugendliche die Schule weiter besucht. Laut Lehrerin hat sie kein Problem den verpassten Lehrstoff nachzuholen und in der selben Klasse bleiben zu können.

Unsere weiteren Pläne
Wir werden wieder die Küste hinunter nach Perth fahren um dort unseren Nissan-Camper zu verkaufen. Erst dann buchen wir einen Flug auf die Philippinen, denn wir wollen uns beim Autoverkauf nicht durch eine Deadline stressen lassen. Die Batulong-Sitzung, die wir auf den 2. April angesetzt hatten, musste um zwei Wochen verschoben werden und so können wir noch etwas flexibler sein. Gut wäre natürlich, wenn wir zur Graduation am 4.-6.April in Cagayan de Oro sein könnten.